„… fertigmachen zum Staunen…“
Bericht über das Mitgliedertreffen in Eutin vom 21. bis 23. Oktober 2005
Im Jahr 2005 fand das Mitgliedertreffen unserer Gesellschaft aus Anlass der 10. Eutiner Weber-Tage in der Geburtsstadt des Komponisten statt. Den Auftakt bildete am Freitagabend das Eröffnungskonzert der Eutiner Weber-Tage in der Residenz Wilhelmshöhe. Nach Begrüßungen durch den Bürgermeister Herrn Schulz und Frau Dr. Capelle spielte das Bläserseptett „Divertimento Hamburg“ eine interessante Zusammenstellung an Harmoniemusiken, u. a. den Marsch C-Dur für die Royal Society aus Webers Londoner Tagen 1826 (JV 307) und die Instrumentierung von 4 Liedern für den Herzog von Gotha (JV 150-153).
Am Samstagvormittag gestaltete der aufgeweckte Stadtführer Herr Walter Grammerstorf, dessen allgemein belustigenden Ausspruch sich die Autorin als Motto für ihren Bericht auslieh, für die Mitglieder einen sehr informativen und mit amüsanten Details und Anekdoten angereicherten Spaziergang zu den Sehenswürdigkeiten des Ortes; trotz des nasskalten und windigen Wetters ein lohnenswertes und unterhaltsames Vergnügen. Ausgehend vom Schloss ging es ein Stück am See entlang zur Seepromenade, von welcher man einen schönen Blick auf die Stadtsilhouette mit dem Wasserturm hatte, danach die Wasserstraße, dem früher einzigen Zugang zum See, hinauf weiter zur St.-Michaelis-Kirche, einer um 1200 erbauten spätromanischen Basilika mit gotischen Umbauten, dem ersten Ziegelbau in Eutin überhaupt, und zum Schlossplatz mit seinem klassizistischen Ensemble von Kreisbibliothek (ehemalige Remise), Kreismuseum (ehemaliger Marstall) und Landesbibliothek Eutin (ehemaliges Kavaliershaus). Durch einen schmalen Durchgang (Twiete genannt) führte der Rundgang zum Marktplatz, auf dem sich das älteste Haus, ehedem Hofapotheke Weschen, sowie Rathaus und Herzogliches Witwenpalais, beide von Hofbaumeister Peter Richter Ende des 18. Jahrhunderts erbaut, befinden. Hier erfuhr man nicht nur, dass das Rathaus, zuerst als Fachwerkhaus entstanden, vom Baumeister selbst im Nachhinein mit klassizistischer Fassade verputzt und somit Vorbild für viele weitere Häuser Eutins wurde, sondern auch Wissenswertes zur Bauweise der Häuser in der Stadt mit den teilweise noch sichtbaren Feldsteinfundamenten. Ihren gebührenden Abschluss fand die Stadtführung der Weber-Enthusiasten mit dem Geburtshaus Carl Maria von Webers, einem zweigeschossigen Fachwerkhaus mit einer 1853 angebrachten Gedenktafel von Hofbaumeister Johann Friedrich Limpricht, in dem heute ein Café untergebracht ist, und der Besichtigung des von Paul Peterich entworfenen und 1890 eingeweihten Weber-Denkmals im Weber-Hain.
Der Samstagnachmittag war einer Reihe von Vorträgen vorbehalten, deren erster zum Thema „Franz Anton von Weber in Eutin 1779-1787“ von Herrn Frank Ziegler in der Landesbibliothek zu hören war. Eine anlässlich der Vorträge zusammengestellte Ausstellung mit Ausstellungsstücken aus dem Besitz der Landesbibliothek konnte vor Ort besichtigt werden, u. a. das Kirchen-Buch der Schloss-Gemeinde in Eutin 1738-1787 mit Taufeintrag Carl Maria von Webers auf S. 61, ein Stammbuchblatt vom Besuch Webers in Eutin mit den Worten „Beharrlichkeit führt zum Ziel“, datiert Eutin d. 13. Sept. 1820, sowie die Handschrift des Liedes Die Kerze auf einen Text von Matthison 1802 (JV 27), ursprünglich erstes Stück einer Sammlung von 32 Gesängen, und das Partiturautograph der Kantate Kampf und Sieg (JV 190), ehedem Geschenk vom Enkel des Komponisten Carl von Weber an die Stadt Eutin anlässlich der Errichtung des Weber-Denkmals. Vor seinem Vortrag stellte Herr Ziegler ein in der Landesbibliothek befindliches Porträt-Gemälde vor, welches Carl Maria von Weber darstellen soll und ebenfalls ausgestellt war. Seiner Meinung nach weise dieses undatierte und unsignierte Bildnis trotz zeittypischer Kleidung zu starke Abweichungen von der physiognomischen Charakteristik in den gesicherten Porträts auf, wodurch er eher zu der Ansicht neige, dass es sich wohl nicht um ein Porträt Webers handeln könne. Der erste Teil seiner folgenden Ausführungen zu Franz Anton von Weber, dem Vaters des Komponisten, konzentrierte sich allgemein auf dessen Wirken als Hofkapellmeister sowie Stadtmusikus in Eutin und versuchte, die in der Literatur geläufige abwertende Charakterzeichnung ein wenig zu korrigieren bzw. zu objektivieren. Im zweiten Teil ging Herr Ziegler näher auf Vater Weber als Theaterkapellmeister und seine Arbeit mit den verschiedenen Schauspielergesellschaften ein.
Im Ostholstein-Museum schloss sich ein Vortrag von Dagmar Beck zu „Weber in Eutin, Oldenburg und Plön 1820“ an. Auch hier konnte man in den Ausstellungsvitrinen des Museums „Weberiana“ besichtigen, z. B. einen Programmzettel zu Webers großem „Vocal- und InstrumentalConcert“ am 22. Februar 1811 in Gießen. Außerdem ließ sich anhand von ausgestelltem Fotomaterial der ehemalige Anblick der Weber-Büste im Tuffstein-Tempel im Schlossgarten rekonstruieren, die durch Vandalismus zerstört wurde und deren Reste im Schloss aufbewahrt werden. Im Zentrum des Vortrags von Frau Beck standen Webers Aufenthalte in Eutin, Plön und Oldenburg auf der Reise nach Kopenhagen 1820. In Eutin weilte Weber nach seiner Geburt nur zweimal: 1802 zu einem Kurzbesuch mit dem Vater und nochmals 1820 vier Tage vom 11. bis 14. September, um ein Konzert zu geben (13.09.), das vermutlich im Rathaus stattfand. Weber hatte bei seinem Aufenthalt viele Kontakte zu namhaften Eutiner Persönlichkeiten, u. a. zu Johann Heinrich Tischbein. Die Weiterreise führte ihn nach Plön, wo er am 15. September konzertierte, und nach Luisenlund, wo Weber seinem Taufpaten Landgraf Karl von Hessen-Kassel seine Aufwartung machte, der den Komponisten mit einem Empfehlungsschreiben für Kopenhagen ausstattete. Der Aufenthalt in Oldenburg vom 23. bis 31. August 1820 lag noch vor diesen Ereignissen. Weber gab dort ein Hofkonzert vor Herzog Peter Friedrich Ludwig sowie ein öffentliches Konzert.
Den dritten und letzten Vortrag dieses Nachmittags, ebenfalls im Museum, hielt Herr Prof. Dr. Heinrich W. Schwab über „Webers Aufenthalt in Kopenhagen 1820“. In Kopenhagen landete Weber am 23. September, wo er am 27. dem König und der Königin Sophie Friederike vorgestellt wurde, von deren Persönlichkeit der Komponist sehr angetan war. Am 8. Oktober gab er sein letztes Konzert im Hoftheater, bei dem er laut Tagebuch enthusiastischen Beifall bekam. Auch hier hatte Weber wiederum einflussreiche Bekannte, wie z. B. den Historiker und Dichter Friedrich Münter und den Architekten Gustav Friedrich Hetsch. Neben den zwei offiziellen Konzerten in der Stadt gab er zahlreiche Soireen in privaten Häusern. Außerdem besuchte Weber am 6. Oktober das Singspiel Der Schlaftrunk von Weyse, dem Organisten an der Kopenhagener Frauenkirche. Aufgelockert wurden Herrn Schwabs Ausführungen durch zahlreiche Abbildungen per Overhead-Projektor und einen Ausschnitt einer Tonaufnahme aus besagtem Singspiel von Weyse.
Nach einer Kaffeepause fand im ehemaligen Herzoglichen Palais (Witwenpalais) die Mitgliederversammlung der Gesellschaft statt. Zu dieser konnten drei Familienmitglieder (Urururenkel) begrüßt werden: Christian M. M. Freiherr von Weber, seine Schwester, Frau Marina Grützmacher, geb. Freiin von Weber, und Frau Dr. Brigitte von Witzleben aus Finnland. (An den Veranstaltungen des Mitgliedertreffens nahm erstmalig auch deren Schwester Margaretha von Witzleben teil). Danach trafen sich die Mitglieder zum gemütlichen Beisammensein im oberen Stockwerk des Witwenpalais’.
Der Sonntagvormittag begann mit einer Führung durch das Eutiner Schloss, im Mittelalter als Niederlassung der Bischöfe Lübecks gegründet, ab dem 16. Jahrhundert Residenz der Herzöge von Oldenburg, durch dessen Vielzahl an repräsentativen Innenräumen uns Frau Anderson vom Kulturamt (aufgrund des engen Terminplanes leider viel zu schnell!) führte. Die einstige spätmittelalterliche Burganlage, 1689 durch eine große Feuersbrunst vernichtet, ließen Fürstbischof August Friedrich und dessen Nachfolger Christian August durch den schwedischen Baumeisters Rudolf Matthias Dallin als Barockbau einschließlich Garten neu errichten. Im Laufe der Zeit erlebte der Komplex zahlreiche Veränderungen, zu denen auch die Umgestaltung des nach französischem Vorbild angelegten Gartens in einen englischen Landschaftspark zählt. Das in den vergangenen Jahrzehnten grundlegend instandgesetzte Gebäude besticht durch eine Reihe von sehenswerten Sälen und Salons mit prächtiger Ausstattung und die zweigeschossige Kapelle mit Empore, 1693/94 geweiht, in der Carl Maria von Weber einst getauft wurde (leider ist das Taufbecken nicht erhalten), mit einer durch die zwölf Apostelfiguren bekrönten Fürstenloge über dem Altar.
In eben dieser Kapelle fand anschließend die Pressekonferenz zur Präsentation der Notenausgabe „Geburtstagsständchen für Weber“ statt. Hierbei handelte es sich um die Vorstellung des Vorabdrucks der 2002 uraufgeführten Geburtagsständchen für Weber von sechs Eutiner Komponisten: Zeki Evyapan, Thomas Goralczyk, Martin Karl-Wagner, Birger Petersen-Mikkelsen, Jan-Peter Pflug und Dennis C. Smith (einschließlich einer Zugabe von Ortrud Guntermann) vor der lokalen Presse, in Anwesenheit des Bürgermeisters der Stadt, der Kulturamtsleiterin und der Komponisten Martin Karl-Wagner, Zeki Evyapan und Ortrud Guntermann. Der Druck der hauptsächlich kammermusikalisch besetzten Kompositionen wird von der Weber-Gesellschaft gefördert. Diese Veranstaltung, bei welcher Frau Dr. Ute Schwab in ihrer Eröffnungsrede das Projekt kurz vorstellte und der Komponist Martin Karl Wagner über dessen Entwicklung bis heute berichtete, bildete den Abschluss des 15. Mitgliedertreffens der Gesellschaft, das gewiss allen Teilnehmern durch sein abwechslungsreiches Programm in schöner Erinnerung bleiben wird.
Solveig Schreiter