Auch ein Jubilar
Mitgliedertreffen in Mainz
Die Wahl für den Tagungsort der Mitgliederversammlung im November 1995 fiel nicht zufällig auf Mainz, feierte doch der dort ansässige Schott-Verlag sein 225jähriges Bestehen. 1770 hatte Bernhard Schott, Mitglied der Mainzer Hofkapelle und Notenstecher, sein Dekret als Hofmusikstecher erhalten. Der Verlag bedeutete für Weber zwar eher ein Ärgernis, verbreitete er doch Partituren seiner Opern gegen dessen Willen besonders in Frankreich und druckte den Freischütz-Klavierauszug in einer Bearbeitung von Zulehner nach, der der Originalausgabe aufgrund des günstigeren Preises starke Konkurrenz machte, doch diese „Schuld“ ist längst abgetragen, spätestens seit das Haus Schott die Weber-Gesamtausgabe in ihr Verlagsprogramm übernahm. Seit dieser Zeit herrscht bestes Einvernehmen zwischen Weber und Schott!
Natürlich hat Mainz noch andere Sehenswürdigkeiten, und so trafen sich die Interessierten bereits am Vormittag im Kreuzgang des Domes, wo die Kunsthistorikerin Frau Dr. Britta Spranger eine kurze Einführung zur Bau- und Kunstgeschichte der Stadt gab. Da die Beziehung Webers zu Mainz kein ergiebiges Thema abgäbe, stand im Mittelpunkt der Betrachtungen ein etwas älterer Musiker, der Minnesänger Heinrich von Meißen, genannt Frauenlob (er starb 1318 in der Stadt am Rhein), dessen Grabstein im Kreuzgang zu besichtigen ist. Eine willkommene Ergänzung zu den stadtgeschichtlichen Ausführungen von Frau Spranger bot der Besuch im Dom-Museum, wo eine Sonderausstellung der Zerstörung der Stadt am 27. Februar 1945 gedachte. – Von dort ging es eiligst ins Gutenbergmuseum, wo uns bereits Herr Philipp Knußmann, ein ehemaliger Mitarbeiter des Schott-Verlages, erwartete. Herrn Knußmann darf man – wenn auch etwas respektlos – als „Fossil“ des Notendrucks bezeichnen, denn er ist einer der Wenigen, die noch das Handwerk des Notenstechens beherrschen. Zwar ist der Verlag seit einigen Jahren auf den computergestützten Notensatz umgestiegen, doch in den Vorführungen des altgelernten Stechers wurde nochmals die mehr als 200jährige Tradition des „Schottischen“ Notenstichs lebendig. Es ist schon eindrucksvoll, mitzuerleben, wie in kurzer Zeit aus einer einfachen Kupferplatte die spiegelverkehrte Druckvorlage entsteht. Jahrelange Erfahrung, ein Gefühl für Material und Handwerkszeug und nicht zuletzt gute musikalische Kenntnisse lassen die Arbeit spielerisch leicht erscheinen. Und nicht wenige Jüngere blickten neidvoll auf die ruhige Hand, die ohne jedes Hilfsmittel makellos gleichmäßige Bögen setzte. So gebannt folgte man den Kunstfertigkeiten, dass die Zeit verflog und nur noch wenige Blicke auf die Jubiläums-Ausstellung des Schott-Verlages möglich waren.
Ein ganz besonderes Bonbon war für den späten Nachmittag aufgehoben. Nach Abschluss der Mitgliederversammlung und der freundlichen Einladung des Verlages zum Kaffee gab uns Frau Marlene Hübel, die die Schott-Ausstellung im Gutenbergmuseum konzipiert und gestaltet hatte, einen Überblick über die Geschichte des Verlages. Dabei durften wir auch einen Blick in die historischen Räume des 1806 fertiggestellten Wohn- und Verlagshauses am Weihergarten werfen, und allen „Altpapier“-Liebhabern ging beim Blick in die Vitrinen das Herz auf: Autographen von Beethoven, Wagner, Humperdinck, Strawinsky …
Abschließend sei allen, die an der festlichen Umrahmung der Mitgliederversammlung Anteil hatten, ein herzliches Dankeschön gesagt, ganz besonders Frau Dr. Spranger für die Vorbereitung und Koordinierung und dem Schott-Verlag für seine liebenswürdige Gastfreundschaft.
Frank Ziegler